Es ist kein aktueller Roman, es ist eine Wiederentdeckung - und als solche durchaus aktueller denn je. "Union der festen Hand" von Erik Reger entstand und spielte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, quasi im Anschluss des Ersten Weltkrieges, und ist ein Schlüsselroman. Zum einen ist es eines der nicht allzuhäufigen literarischen Portraits über das Ruhrgebiet, zum anderen ist es ein bedeutender Vertreter der neu entstandenen Stilrichtung "Neue Sachlichkeit". Diese ist geprägt durch eine einfache aber präzise Sprache, es ist gleichwohl das Ruhrgebiet und vor allem eine große Industriellenfamilie unter dem literarischen Seziermesser. Das macht den durchaus voluminösen Roman aber auch angenehm lesbar. Erik Reger, der den Roman verfasste, ist ein Pseudonym für den Sohn einer Bergmannsfamilie, Hermann Dannenberger, der als Pressereferent der Friedrich-Krupp-AG tiefe und intime Einblicke in das Milieu nehmen konnte. Es ist das wechselvolle Jahrzehnt der 20er Jahre, das portraitiert wird, extreme Umbrüche, Ausbeutung, Inflation und schlechte Löhne. In dieser Gemengelage bildet sich die "Union der festen Hand", ein Industriellen-Verbund, der den Weg zur Macht für die Nationalsozialisten ebnet. Wer sich ein wenig mit der Historie der Weimarer Republik beschäftigt hat, fallen die augenscheinlichen Bezüge und vor allem der mit kritischem, manchmal sogar sarkastischem Witz geschilderten Kosmos von Geld, Macht und Beziehungen rund um Kohle und Stahl ohne zu Zögern auf. Es ist kein Roman, den man - aufgrund seiner Seitenstärke - mal so in zwei oder drei Tagen weggelesen hat, auch kein leichter Sommerroman, sondern eher für die dunkler werdenden Tage des Herbstes geeignet. Doch wenn man sich auf ihn einlässt, so wird man belohnt: mit einer reichhaltigen Lektüre, einem historischen, alten Kosmos, aber doch erschreckend modern und aktuell, einer angenehmen Sprache und ein neuer Blick auf das Ruhrgebiet.

Gelesen und besprochen von Bernhard Meyer